Die Festung in Theresienstadt (tschechisch: Terezín) wurde 1941 nach Besetzung der Tschechoslowakei durch die Nationalsozialisten Schritt für Schritt zum Arbeits- und Konzentrationslager für inhaftierte Juden umgewandelt. Im Gegensatz zu den Vernichtungslagern Auschwitz-Birkenau, Dachau oder Buchenwald, diente das Konzentrationslager Theresienstadt als „Schaufenster, das der Welt zeigen sollte, daß die Gerüchte über den Massenmord“ unwahr seien. Mit dem Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ erschien 1944 ein Propagandafilm der Nazis, welcher der Weltöffentlichkeit ein Trugbild der friedvollen Bedingungen in Theresienstadt vermitteln sollte, die von der Realität natürlich weit entfernt waren. 1780 von Josef II. als Schutz gegen die Preußen errichtet, nutzten die Nationalsozialisten Theresienstadt als Gestapo-Gefängnis, Zwischenstopp auf dem Weg in die großen Vernichtungslager und Juden-Ghetto im Prager Raum. Die Gedenkstätte Theresienstadt mit dem Ghetto Museum und der kleinen Festung wurde 1948 gegründet.
Reiseinformationen
Das ehemalige Ghetto und Konzentrationslager Theresienstadt befindet sich nur eine Autostunde entfernt von Tschechiens Hauptstadt Prag und kann auf eigene Faust oder im Rahmen einer Führung besucht werden. Führungen werden auch auf Deutsch angeboten und ermöglichen einen sehr tiefen Einblick in die Hintergründe der Festungsanlage und die Gräueltaten, die hier durch die Nationalsozialisten verübt wurden.

Die Gedenkstätte ist täglich zwischen 9 und 18 Uhr für Besucher geöffnet und der Eintritt in die kleine Festung, das Ghettomuseum und den Jüdischen Friedhof kostet Erwachsene 260 tschechische Kronen (ca. 11 Euro) und bei Ermäßigung für Studenten, Behinderte und Rentner 200 Kronen (ca. acht Euro). Mehr Informationen für deinen Besuch findest du auf der Webseite der Gedenkstätte.
Die Geschichte des Konzentrations- und Arbeitslagers Theresienstadt
Bau der Festungsanlage
Zum Schutz des böhmischen Königreiches ließ Josef II. (1741–1790), Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, 1780 die Festung Theresienstadt erbauen, die er nach seiner Mutter, der Kaiserin Maria Theresia benannte. Er beauftragte für den Bau, der übrigens über zehn Jahre in Anspruch nahm, den General Karl Clemens Pellegrini, und ließ schließlich eine Hauptfestung und auf der anderen Seite des Flusses eine kleinere Festung errichten. Um die Festung herum befand sich ein Wassergraben, der es den Feinden zusammen mit den hohen Mauern und mächtigen Wällen unmöglich machen sollte, ungewollt einzudringen.

Das Tunnelsystem mit einer Gesamtlänge von über 28.776 Metern, das zu Teilen im Rahmen einer Führung ebenfalls besichtigt werden kann, nutzten die Nationalsozialisten übrigens nie für ihre Zwecke. Einer der bekanntesten Insassen des späteren Gefängnisses war Gavrilo Principe, der Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gattin erschoss und damit den ersten Weltkrieg auslöste.
Umwandlung in ein jüdisches Ghetto
Nach der Besetzung der Tschechoslowakei 1938 durch die Nationalsozialisten nutzten diese die vorhandene Infrastruktur in Theresienstadt zum Bau des ersten Konzentrationslagers in Böhmen. Im bestehenden Gefängnis wurden Gestapo-Gegner jüdischer und nicht jüdischer Herkunft inhaftiert, zwischen den Jahren 1940 und 1945 rund 27.000 Männer und 5.000 Frauen, die aus Prag, Böhmen oder Mähren stammten. Von den Gefangenen wurden etwa 8.000 Menschen in andere Konzentrationslager transportiert und dort schließlich hingerichtet. Die Bewohner Theresienstadts mussten weichen, um Platz für das neue Ghetto für Juden aus Böhmen und Mähren zu machen. Ende November 1941 trafen die ersten Prager Juden in Theresienstadt ein. Bis zur Befreiung des Lagers 1945 lebten hier 140.000 Häftlinge im Ghetto, die größtenteils aus Tschechien, aber auch Polen, Ungarn, Dänemark, Österreich, den Niederlanden und Deutschland stammten.

Anfangs wollte man gezielt ein Ghetto für ältere Juden, sowie Intellektuelle wie Wissenschaftler und Künstler schaffen, weshalb im Lager ein gewisses Maß an kulturellem Leben in Form von Konzerten, Lesungen und eigener Selbstverwaltung stattfand. So wollten die Nationalsozialisten den Schein eines Muster-Ghettos wahren. Mit der steigenden Anzahl deportierter Juden, wurden immer mehr Menschen in die großen Vernichtungslager transportiert und das Ghetto Theresienstadts wandelte sich mehr und mehr zum Durchgangslager.
Das Vorzeigelager:„ Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“
Der Propagandafilm mit dem abstrusen Titel „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt“ erschien 1944 als Reaktion auf sich verbreitende Gerüchte über die Gräueltaten und Massenmorde in den deutschen Konzentrationslagern. Interessierten Zuschauern und besonderes dem damaligen Roten Kreuz sollte das friedvolle Leben in dem selbstverwalteten jüdischen Ghetto präsentiert werden, insbesondere die Schulen, das Krankenhaus, Sportveranstaltungen, Konzerte, das harmonische Arbeiten und die lebenswerten Bedingungen vor Ort. Der inhaftierte Kabarettist Kurt Gerron, der gezwungen wurde, als Regisseur den Film zu leiten, wurde ebenso wie die meisten Darsteller im Anschluss nach Auschwitz verfrachtet und dort ermordet, um jegliche Zeugen der Falschheit des Films zum Schweigen zum bringen.

Am 23. Juni 1944 fand dann der lange angekündigte Besuch der Kommission des International Roten Kreuzes, bestehend aus zwei Dänischen und einem Schweizer Vertreter, statt. Die Nazis hatten vor dem Besuch so einige Vorbereitungen getroffen, um das Ghetto Theresienstadts in ein ganz anderes Licht zu rücken. Vor dem Besuch kam es bereits 1943 zu Massendeportationen in die umliegenden Vernichtsungslager, Leichen wurden in den Krematorien verbrannt, die gesamte Anlage gesäubert, verschiedene Einrichtungen wie Kindergärten, Theateraufführungen und ansehnliche Wohnbaracken errichtet. Die Vertreter des IRK wurden durch Speisesäle, adrette Wohnbaracken, Sportplätze, auf denen wohlgenährte Kinder mit sauberer Kleidung Fußball spielten, ansehnliche Schrebergärten, Kindergärten, gepflegte Einkaufsläden und Apotheken, sowie weitere vorbildliche Einrichtungen geführt und unterlagen den von den Nazis perfekt inszenierten Trugbild eines jüdischen Vorzeigelagers.
Befreiung Theresienstadts
Bis zur Befreiung des Lagers 1945 starben in Theresienstadt etwa 30.000 Menschen, teils an den Folgen der Haft, an Folter, den Arbeitsbedingungen, sowie teils an den Extrembedingungen im Ghetto, dem Hunger, der Kälte und verschiedenen Epidemien. 1944 wurde eine Gruppe Juden aus Köln irrtümlicherweise hingerichtet, die eigentlich für den Transport in das Ghetto Theresienstadt und nicht die kleine Festung vorgesehen waren. Am 5. Mai übergab die SS dem IRK schließlich die Verantwortung für Theresienstadt und am 8. Mai erreichte die Rote Armee das Lager. Dieses wurde bis 1948 als Gefängnis für Deutsche genutzt, die aus der Tschechoslowakei zwangsausgesiedelt wurden. Viele dieser Deutsche wurden von den russischen Soldaten ebenfalls auf brutalste Art und Weise ermordet, ohne dass ihnen ein fairer Prozess zuteil wurde. 1948 wurde die Gedenkstätte Theresienstadt errichtet.

Auch im KZ Theresienstadt wurden zahlreiche Häftlinge ermordet. Zeugnis davon sind heute noch das Krematorium und der Galgen. In der kleinen Festung wurden 22 Personen hingerichtet. 2.600 Menschen starben an den Folgen der Haft. Im Ghetto kamen rund 35.000 Menschen um. Sie starben an Hunger, Kälte und Epidemien.
Fazit
Neben den tollen Erlebnissen während meines Stadtbesuchs in Prag, war es mir wichtig auch Theresienstadt, Tschechiens wohl wichtigstes Zeugnis der deutschen Besetzungszeit, zu besuchen. Theresienstadt ist ein Ort, der dich zum Nachdenken bringt. Unter Führung der übrigens ausschließlich österreichischen Lagerleiter kamen hier in den Jahren 1941 bis 1945 über 30.000 Menschen zu Tode, wurden teils brutal gefoltert oder in eines der größeren Vernichtungslager verfrachtet. Gedenkstätten wie die in Theresienstadt sind ein wichtiges und zeitloses Relikt und sollten jeden von uns am Vergessen hindern.
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